Kammerelektronik

Kammerelektronik konzipiert und realisiert Konzertperformances im Kammermusikformat. Sie widmet sich der Verbindung von Klang, instrumentaler Geste, Tanzbewegung, Stimme, Licht und Raum. Die transdisziplinäre Kompanie wurde 2012 von Roman Pfeifer ins Leben gerufen und setzt sich zusätzlich zu einer Kerngruppe von Performer*innen je nach Stück aus Künstler*innen unterschiedlicher Bereiche (zeitgenössische Musik, Improvisation, alte Musik, Elektronik, Tanz und Physical Theatre) zusammen. Sie bringt Musiktheater auf die Bühne, die von Roman Pfeifer komponiert und konzipiert werden und unterschiedlichste Formen annehmen können: vom choreographierten Konzert bis zur performativen Installation, vom Pastiche bis zur Séance, von Meditation bis Krautrock.
Kammerelektronik kreiert Räume, in denen statt virtuoser Leistungen gelassene Kontrolle und Sorgfalt zählen. Es entsteht ein gemeinsamer Rahmen, in dem Geschicklichkeit nicht so eindeutig auszumachen ist.Das Publikum ist nahe am Geschehen, um eine Wahrnehmung zu ermöglichen, die visuell, taktil, kinetisch und auditiv zur gleichen Zeit ist. Eine Kunst, deren abstrakte Poesie viele Arten von Zugang erlaubt, die lesbar ist, ohne narrativ zu sein und in der alles Hauptsache sein kann.

In den Aufführungen, die Kammerelektronik seit 2012 realisiert, wirkten mit:

Roman Pfeifer, Linda Nordström, Daniel Agi, Luisa Fernanda Alfonso, Annegret Mayer-Lindenberg, Rie Watanabe, Florian Zwißler, Kollaborateur*innen, Sabine Akiko Ahrendt, Dorrit Bauerecker, Jan Baumgart, Robert Beck, Justin Carter, Marlies Debacker, Nina Gschlößl, Simon Hartmann, Constantin Herzog, Kerim Karaoglu, Heni Hyunjung Kim, Nicolás Kretz, Christian Lorenzen, Carolina Martins, Shinichi Minami, Karin Nakayama, Miriam Overlach, Claudio Pfeifer, Hannelore Pfeifer, Arturo Portugal, Heather Roche, Timm Roller, Jasper Schmitz, Luísa Saraiva, Niklas Seidl, Sophia Spies, Ronald Schwandt, Rebecca ter Braak, Jan Termath, Alice Vaz, Daniel Verasson.

Irrationale Gedanken müssen streng und logisch verfolgt werden.
(Sol LeWitt)

Kammerelektronik ist die Kunst und Wissenschaft, einen Prozess der Veränderung herbeizuführen, eine Form der praktischen Erforschung und Gestaltung von Handlungsräumen; der exemplarische Versuch, Getrenntes zu verbinden, andere Ordnungsmöglichkeiten sinnlich erfahrbar zu machen. Der Musik soll ein Tanzplatz geschaffen werden, den Prozessen von Zeichnung, Licht und Fotografie eine Bühne, den Bewegungen ein Resonanzraum. Das Kunstwerk etabliert im transitorischen Ereignis der Aufführung eine imaginäre Realität.

Man versteht eine Bewegung, indem man den Tanz mitmacht.
(Michael de Certeau)

Kammerelektronik bringt die Zuschauenden nahe an das Geschehen heran und ermöglicht eine Wahrnehmung, die gleichzeitig visuell, auditiv und taktil ist. Und ähnlich wie, nach der Motortheorie der Sprache, Zuhörende Laute als Bewegungsabläufe von Artikulationsorganen wahrnehmen, indem sie anhand der klingenden Laute die Bewegungen des Sprechapparates stumm mitvollziehen, so findet auch in der Aufführung ein Nacherleben, eine Nachbildung und Einfühlung in die Aktionen der Performer*innen statt. Genau wie sich das klangliche Erleben intensiviert, wenn man den Musiker*innen zusieht, so gewinnt auch der Tanz durch die Klänge, die er produziert, an Plastizität. Die Zuschauenden sind aktive Mitschaffende, die mit ihren Körpern, ihren Sinnen, ihrer Phantasie und ihrem Wissen das Kunstwerk erst vervollständigen. Eine Kunst, die viele Arten von Zugang erlaubt, die aus verschiedensten Blickwinkeln lesbar ist und in der alles – Klang, Bewegung, Instrument, Licht – Hauptsache sein kann.

Eine leuchtende Spur, zugleich vielgestaltig und individuell.
(Étienne Jules Marey)

Kammerelektronik ist ein instrumentales Theater, in dem die Art der Klangerzeugung mindestens so wichtig ist wie die resultierenden Klänge selbst. Ein Theater, in dem Musiker*innen und Tänzer*innen als Tuende konkrete Aufgaben, einfache Aktionen und vorgegebene Noten/Texte ausführen. Es stellt einen Kontext her, in dem Bewegungen und Aktionen einen weniger spektakulären Anspruch an den Körper stellen, statt virtuoser Leistungen zählen gelassene Kontrolle und Sorgfalt. Es entsteht ein gemeinsamer Raum, in dem Geschicklichkeit nicht so eindeutig auszumachen ist.

Heinz, handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!
(Heinz von Foerster)

Kammerelektronik bespielt kleine Räume (Galerien, kleine und mittlere Bühnen, Kammermusiksäle, Clubs, Ateliers etc.) - Räume, deren Ausgangssituation und Rahmenbedingungen nicht festgelegt sind und nicht als unveränderbar hingenommen werden müssen. Abseits gängiger Formate, Alltagsbetriebe und erprobter Methoden stellt sich die Frage, wie Bedingungen hergestellt werden können, unter denen Künstler*innen interdisziplinär zusammenarbeiten können, sodass unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen zusammenkommen und ein offener Blick für Unerwartetes entstehen kann. Kammerelektronik schafft Räume, in denen neue Bezüge entdeckt und andere Strukturen entwickelt werden können, kurzum: in denen sich die Möglichkeiten vervielfältigen.

Auch in einem Kaffeelöffel spiegelt sich die Sonne.
(Siegfried Gideon)

Kammerelektronik ist ein Theater der anonymen alltäglichen Gegenstände: Styroporplatten, Metallteile, Spiegel, Lampen, Stoffe, Folien, Papiere, Fäden, Werkzeuge und Schalter fügen sich hier ebenso ein wie Dinge, die man oft bei einem Konzert auf und neben der Bühne antrifft: Notenständer, Pultlampen, Ablagen, Kabel, Stative, Computer, Mikrophone und Lautsprecher. Statt Kulisse und versteckter Bühnenmaschinerie prägen Dinge von schlichter und verständlicher Gestalt das Bild der Bühne, nicht wegen der Originalität ihrer Formen, sondern wegen ihres Gebrauchs. Für jedes Stück wird hierbei eine spezifische Konstellation von mobilen und modularen Bühnenelementen entwickelt. Aus diesem sich stetig erweiternden und dennoch begrenzten Fundus werden immer wieder neue Szenographien entwickelt, ganz im Sinne der Bricolage, die umsichtig und kreativ mit dem arbeitet, was sie vorfindet und dabei in den vorhandenen Ressourcen stets Neues entdeckt.

There is no straight line to be drawn between notes and sounds.
(John Cage)

Kammerelektronik vermisst und transkribiert den Reichtum der audiovisuellen Welt und bannt ihren zeitlichen Fluss, ihre Komplexität, Multidimensionalität und Dynamik in Notationen, Schaltungen, Diagramme, Zeichnungen und Fotografien. Die entstehenden Instrumentalmusiken, Choreographien, Lichtspiele, Fotoserien und Videos sind nicht nur Grundlage für die Aufführung, sondern werden in Schrift, Klang und Bild in digitaler und gedruckter Form dokumentiert und publiziert. Zwischen Nachbild, Dokumentation und Partitur verknüpfen sich die verschiedenen an der Aufführung beteiligten Ebenen, es werden Apparaturen, Entstehungsprozesse und intermediale Bezüge lesbar.

To and for all our collaborators at all times third minds everywhere.
(William S. Burroughs, Brian Gysin)

Kammerelektronik ist eine 2012 gegründete Kompanie, die im erweiterten Feld zwischen Musiktheater, Tanz, Performance und elektronischer Musik arbeitet. Sie widmet sich der künstlerischen Erforschung der Verbindungen von Klang, Instrument, Bewegung, Stimme, Licht, Raum und Blick. Kammerelektronik gestaltet kollaborative Prozesse, in die sich die beteiligten Künstler*innen mit all ihren Fähigkeiten, ihren Sensibilitäten und ihrem Training in den unterschiedlichsten Disziplinen einbringen können.